In diesem Blogartikel erzählt die erfahrene Tanzpädagogin Laura von dreiundzwanzig Jahren Berufserfahrung als Tänzerin und ihrer Arbeit mit Schulkindern. Zwischen Mathebüchern und Diktaten den Körper zur Musik zu bewegen, bedeutet für viele Kinder wahrlich die Welt.

Wenn Ballett ein Schulfach ist, dann ist Laura die ideale Interviewpartnerin zum Thema. In Kollaboration mit regulären Schulen in NRW unterrichtet sie Tanz und kann täglich beobachten, welche Auswirkung dies auf die Schüler:innen hat. Sie selbst tanzt ebenso seit Kind – und hat bis heute nicht aufgehört. Im Interview dürfen wir Mäuschen in einer ihrer Tanzstunden spielen und erfahren, wie Laura das, was sie damals als Kind zum tanzen gebracht hat, heute an andere Kinder weitergibt.
tanzmuster: Liebe Laura. Wie wunderbar, dass wir dich zum Thema interviewen dürfen! Erzähl uns, was hat dir all die Erfahrung geschenkt, dass du heute Tanzlehrerin bist?
Laura: Hi und guten Morgen! Vielen Dank für die Einladung. Ja, ich unterrichte tatsächlich schon seit ganzen dreiundzwanzig Jahren an Schulen. Nachdem ich selbst als Mädchen zum Ballett ging, habe ich daraufhin ein musisches Gymnasium besucht um eine Vorausbildung Tanz an der Hochschule für Musik und Tanz in Köln machen zu können und nach dem Abitur in Arnheim Tanz studiert. Schwerpunkt meiner Arbeit im Berufsleben war stets der Tanzunterricht mit Kindern, meist in Grundschulen. An privatenTanzschulen habe ich angefangen zu unterrichten, die Kinder als Freizeitaktivität besuchen, das ist aber mittlerweile nur noch ein kleines Zeitfenster in meiner Arbeit.
Egal ob als Fach übers Jahr verteilt oder als abgeschlossenes Blockprojekt; meine Arbeit findet heute zum größten Teil in der öffentlichen, regulären Schule statt.
Kinder die Welt durch, mit, und über Tanz erfahren lassen.

tanzmuster: Unterrichtest du dort dann klassisches Ballett?
Laura: Es ist eine Mischung. Ein Tanzmix…ein Crossover. Zeitgenössischer Tanz, kombiniert mit Techniken aus dem klassischen Ballett, Modern Dance, Jazz Dance ,Folklore, auch Hip Hop Basics. Ich selbst komme aus dem klassischen Tanz und modernen Tanz und integriere die Grundlagen des Balletts spielerisch in meinen Unterricht. Ich hab mich im Studium bereits mit dem Thema „Tanz in der Grundschule“ beschäftigt. Dieses Fach hieß ADV. Meine damalige Dozentin Ingeborg Boss hat unglaublich gut vermittelt, wie wichtig Tanz ist – und dass Tanz in der Schule fest integriert sein sollte. Schnell habe ich erkannt, dass es das ist, wofür mein Tanzherz schlägt. Kinder die Welt durch, mit, und über Tanz erfahren lassen.
tanzmuster: Ad hoc raus damit: Was ist Tanz für dich?
Laura: Hmmm…das ist wirklich eine große Frage! Auf jeden Fall ist es eine unglaublich vielseitige Fortbewegungsform. Ein Fortbewegen im Raum; mit dem Körper, im Körper. Ein Brücken bauen zu meiner Umwelt, meinen Mitmenschen, meinen Erlebnissen… Tanz ist sooo liebevoll. Das bedeutet Tanz gerade in diesem Moment für mich.
Ich denke aber Tanzunterricht bietet die besondere Möglichkeit, stetig zu wachsen…
tanzmuster: Warum gehört Tanz als Unterrichtsfach in die Schule?
Laura: Die Kinder lernen, sich zu fokussieren. Besonders lernen sie auch, sich auf sich selber zu fokussieren…ebenso Fokus auf den Raum zu finden. Sich auf die Gruppe und das Gegenüber zu fokussieren, sich einzulassen.
Bei Tanz denkt man ja ganz schnell, er muss immer zur Musik passieren, sie visualisieren und das in einem bestimmten Tanzstil. Ich denke aber Tanzunterricht bietet die besondere Möglichkeit, stetig zu wachsen; nicht nur die körperlichen Fähigkeiten…auch die Wahrnehmung und der Geist kann vielseitig wachsen. Sensibilität wird gefördert und das alles ohne das die Kinder „platzen“, weil im Tanzunterricht viele Ventile zum Einsatz kommen können.
Ausprobieren, mutig sein, neue unbekannte Dinge zuzulassen…
Ich empfinde das Wachsen auch als einen aktiven Prozess; „bewegen“, „fortbewegen“, „weiterbewegen“ – und das in einem Raum…da mein ich auch das Gehirn und den Körper mit. Tanz ist für mich die ideale Unterstützung, Kinder in Ihrer Entwicklung zu begleiten und zu fördern. Ausprobieren, mutig sein, neue unbekannte Dinge zuzulassen und kennenzulernen.
Dafür ist Tanz als Unterrichtsfach ideal.
Kinder lieben klassische Musik!
tanzmuster: Absolut. Wir würden uns so gern vorstellen, wie eine solche Schulstunde abläuft! Was passiert dort?
Laura: Ich hab generell einen ganz akademischen Stundenaufbau: Zuerst gibt es ein Hallo und Willkommensritual, darauf folgt ein körperliches Warming-Up, alles in einer Kreisaufstellung. Mit den meisten Klassen mache ich zu Beginn Übungen aus der tänzerischen Früherziehung, natürlich auch viel aus dem klassischen Ballett. Ich spiele dabei sehr gern klassische Ballett Musik, weil sie die Tanzbewegungen super unterstützt und nicht ablenkt… und Kinder lieben klassische Musik!

tanzmuster: …Wir ebenso! Was passiert dann?
Laura: Nach der Bodenarbeit geht es in den Kreis; dabei gehe ich immer von unten nach oben… Füße strecken und flexen, Dehnungen, auf- und abrollen, Pliés, Schwünge… Ich hab Kinder mit Tanzerfahrung und komplett ohne Erfahrung dabei. Beim aufwärmen richte ich mich aber eher nach den Kindern, die noch keine Erfahrung haben. Zurück zur Frage: Nach dem Aufwärmen geht es in den Raum und wir bearbeiten das Thema der Stunde.
…kleine Übungen kommen mit kraftaufwendigeren Parts zusammen, gern über einen längeren Zeitraum.
tanzmuster: Wie schaffst du es, dass alle mitmachen, gerade bei den Kleinen?

Laura: Ich gebrauche viel Bildsprache. Sie sollen sich dann zum Beispiel klein wie ein Päckchen machen, sich zuschnüren, und dann wieder öffnen. Bei den ganz Kleinen heb ich dann gern mal ein Paket hoch! Das finden die Kinder lustig. Dann wird auch mal ein Port de bra spielerisch eingebaut, ich sag „Die Sonne geht auf!“, so dass sie ihre Arme ausstrecken…und "eine dicke Wolke kommt" …dann muss das Päckchen sich wieder schließen, die Sonne ist verdeckt.
Das sind dann schon Basisübungen zur Vorbereitung Contract und Release aus dem Modern Dance. In solcher Bildsprache baue ich vielseitige Bewegungsabläufe ein; kleine Übungen kommen mit kraftaufwendigeren Parts zusammen, gern über einen längeren Zeitraum. So lassen sie sich ein – und fühlen die Übungen durch den ganzen Körper. Es sind also sehr viel kreative Tanzaufgaben dabei, die viel Spaß machen und sich trotz Anstrengung nicht wie „Arbeit“ anfühlen sondern eher wie ein fordern und fördern .
tanzmuster: Ja, so klingt es auch! Mehr bitte! Was kommt nach dem Aufwärmen?
Laura: Dann geht es vom eigenen Platz in den Raum…Walks diagonal, gerade, vorwärts und rückwärts, schnell, langsam. Auch die Raumebenen beziehe ich mit ein, so gelangt man fließend in eine andere Form der Fortbewegungen; z.B.rollen, kriechen… Mal auf einem imaginären Matheheft in Kästchen laufen…oder einem Schachbrett. Dabei arbeite ich gerne mit Gegensätzen. Welche Richtungen gibt es? Schaff ich es wirklich, um die Ecke zu gehen? Kann man schnörkelig gehen, tanzen?
Es entsteht einfach eine Anziehungskraft innerhalb der Gruppe, die vereint…
Das z. B. gibt den Kindern ein ganz anderes Raumgefühl… Schlangenlinien oder schnörkelige, runde Bewegungen fühlen sich im eigenen Körper anders an, aber auch passiert Gruppendynamisch etwas anderes im Raum, als bei den geraden Linien und den eckigen Bewegungen. Da kommt die Gruppe plötzlich viel schneller und viel enger zusammen, automatisch zieht es die Gruppe zueinander in die Mitte des Tanzraumes. Das ist immer schön zu beobachten, während die Kinder selbst, aufgrund der Bildsprache, das garnicht so bewusst mitkriegen. Es entsteht einfach eine Anziehungskraft innerhalb der Gruppe, die vereint – und durch solche Übungen eine ausgelassene Gruppendynamik herstellt.

Ein anderes Beispiel, um auf den Stundenaufbau zurück zu kommen…eigentlich sehr simpel: die Kinder verwandeln sich in eine Farbe und sind mit dem ganzen Körper der Pinsel. Nun malen sie den Raum an. Nicht nur auf einer Ebene, sondern nach oben, nach unten, dicke Linien, Punkte, dünne Linien usw.. Am Scheitel ist Farbe, auch am Steißbein und an den Knien…das ist auch eine tolle Übung, um eine Klasse kennenzulernen.
Man muss es natürlich immer erst vormachen und mit dabei sein, alles aktiv begleiten, vortanzen, Fragen stellen wie z. B. „Was habt ihr gesehen?“ –sich dann langsam aus der Übung zurück ziehen…und dann mit der Stimme begleiten. Später teile ich die Kinder in Tandem Teams ein. In Partnerarbeit wird die Tanzaufgabe dann z.B gespiegelt (das Gegenüber spiegelt, bzw. imitiert die Bewegungen).
Der Körper wird locker und der Kopf frei.
tanzmuster: Das klingt geradezu meditativ.
Laura: Ja, das macht den Stress weg! Eine ganz intuitive Exploration…erst einmal alleine auf kleinerem Raum in einer großen Gruppe. Die Kinder erforschen zuerst ihren Körper; die Tanzbewegung z.B von den Armen aus führen zu können und den Körper folgen zu lassen. Das sind fließende, ruhige Bewegungen. Der Körper wird locker und der Kopf frei. Die Kinder sind ja schon mehrere Stunden in der Schule…vielleicht war die Stunde davor nicht cool oder das Essen war nicht lecker oder zu viel… Bei mir im Unterricht bekomme ich viele der Stimmungen mit.
Es sieht so leicht aus, aber braucht viel Aufmerksamkeit und Kraft!
tanzmuster: Gerade in einem stressigen Schulalltag mit viel Sitzen ist ein solcher Unterricht ja wirklich ein Himmelsgeschenk zwischendurch.
Laura: Trotzdem ist es natürlich auch sehr fordernd . Du musst, wie beim Pinsel-Tanz, genau auf deine Mittänzerinnen und Mittänzer achten und gucken, was da passiert… Es sieht so leicht aus, aber braucht viel Aufmerksamkeit und Kraft! Aber mit den Jahren hat man ja auch Erfahrung und sieht meistens, was bei den Kindern los ist. Das Tanzen kann ganz schön schwer fallen, wenn die Linsensuppe einem am Nachmittag schwer im Magen liegt, ein Kind Kummer hat…oder vielleicht hat jemand sich einen Kratzer eingeholt… Da verschenkt man gerne Mitgefühl und Aufmerksamkeit, und dann muss man aber auch weiter machen.
Alle Kinder lieben es, zu spielen.
tanzmuster: Du unterrichtest ja schon sehr lang. Sind die Kinder heute noch genau so „Kind“ wie damals?
Laura: Ja…tatsächlich hat sich da was verändert. Generell sind die Generationen…somit die Kinder, mit denen ich arbeite, über die Jahre „erwachsener“ geworden, es wird viel verlangt von ihnen. Zum Beispiel haben wir früher bei der Spiegelübung erstmal mit „Zähneputzen“, „Gesicht eincremen“ etc. angefangen – aber irgendwie sind sie jetzt schon viel weiter als damals. Ich mache mit den Erstis schon viel phantasievollere Übungen, das kann dann teilweise schnell komplexer werden und ziemlich flott in ganze Choreographien übergehen.

Alle Kinder lieben es, zu spielen. Tanz ist da aber gar nicht weit von entfernt mit dem Unterschied , dass es keine Gewinner, keine Wettkämpfe gibt . Der Wettkampf findet mit dir selber statt. Das hört sich strenger an, als es ist. Aber ja – damit haben die Kinder manchmal Probleme, dass es keine Gewinner gibt. Ich finde Wettkampf darf sein; dafür gibt es aber dann meiner Meinung nach die sportlichen Spiele wie Wettrennen, Weitsprung, Fußball usw.
…es fühlt sich für mich als Lehrerin freier an, an der öffentlichen Schule Tanz zu unterrichten!
tanzmuster: Interessant…Verrate uns, warum unterrichtest du besonders gern in regulären Schulen?
Laura: In Schulen kann ich vielseitiger mit meinem Fach umgehen. Ich habe unendlich viele Möglichkeiten, das Medium Tanz zu bearbeiten und zu integrieren. Welche Tanztechnik, welchen Tanzstil wähle ich für das Thema? Das ist tatsächlich breiter gefächert, als im klassischen Ballettunterricht, den Kinder am Nachmittag besuchen.
…ich versuche die Kinder immer so weit zu bringen, dass sie zusätzlich auch noch in die privaten Tanzschulen gehen.
In den privaten Stunden, die ich früher gegeben habe, war ich viel strenger an eine Technik gebunden. Ich kann natürlich klassisches Ballett mit Modern Dance vereinen, aber das ist dann dennoch sehr Technik-orientiert. Im Tanzstudio grenzt es mich als Tanzlehrerin mehr ein, etwas bestimmtes darzustellen. Da sind die Erwartungen anders und mehr in Kategorien einsortiert, teilweise mehr in Kästchen gedacht. In der regulären, öffentlichen Schule habe ich mehr Möglichkeiten, zu entscheiden, wo und wie ich es mache, das hat mich hier hingebracht! In der ganzen Zeit der eigentlich schon sechsundzwanzig Jahre Unterricht kann ich versuchen es platt auf einen Nenner zu bringen: es fühlt sich für mich als Lehrerin freier an, an der öffentlichen Schule Tanz zu unterrichten! Der Unterricht selbst muss aber extrem gut vorbereitet sein, denn „man weiß nie was kommt“.
Ganz wichtig aber: ich versuche die Kinder immer so weit zu bringen, dass sie zusätzlich auch noch in die privaten Tanzschulen gehen. Das ist wirklich eine tolle Ergänzung, Erweiterung – und ich möchte gerne, dass die Kinder dort weitermachen; sich evtl. auch in einer Technik spezialisieren. Das ist das Wichtigste; dass sie Hobbies entwickeln und nicht nur am Handy hängen.
tanzmuster: Du hast mit deinem Unterricht an öffentlichen Schulen ja auch eine ganz andere Mischung von Kindern, oder?

Laura: Genau. Du kommst auch an Kinder ran, die sonst gar keinen Zugang zum Tanz hätten und nicht in einer Ballettschule angemeldet werden würden! Bei mir nehmen die Kids dabei alle Techniken mit, die auch im privaten Tanzunterricht am Nachmittag vermittelt werden würden. Ich hab zwei Klassen, da sind die wenigsten Kinder in privaten Tanzschulen angemeldet. Kulturell ist es in meinen Gruppen auch sehr gemischt, bezüglich Herkunft und sozialem Background.
Da kommt man auch manchmal an Eltern, die das vielleicht gar nicht so toll finden, dass ihr Kind nun tanzt und kein Fußball spielt!
Aber das ist alles ziemlich egal…egal ob 1. oder 4. Klasse, die stehen wirklich parat! Die haben richtig Lust darauf. An manchen Schulen muss ich ab und zu einen Brief an die Eltern schreiben, damit die Kinder besser vorbereitet werden. Da kommt man auch manchmal an Eltern, die das vielleicht gar nicht so toll finden, dass ihr Kind nun tanzt und kein Fußball spielt!
Fußball und Tanz liegen auch garnicht so weit auseinander!

Aber im Gespräch merken sie super schnell, dass das etwas ganz positives ist. Fußball und Tanz liegen auch garnicht so weit auseinander!
Ich hatte ein paar Jungs, die schon sehr professionell Fußball spielen. Die sind super gern zum Tanzen gekommen und dabei geblieben! Die sagten tatsächlich „Das ist das selbe wie beim Fußball: anstrengend!“ (lacht). Und das stimmt – es muss beim Tanz, wie auch beim Fußball, nachgedacht – und zusammen gearbeitet werden. Vor allem auch zusammen gehalten werden!
tanzmuster: Was hilft dir bei der Arbeit mit den Schüler:innen?
Laura: Ich arbeite gern in schwarz und mag es, wenn die Kinder schwarze Kleidung tragen, auf jeden Fall gern einfarbige T-Shirts. Da kann ich mich besser konzentrieren…nicht alles so bunt und glitzernd! Wenn jemand sehr zappelt und dabei auch noch ein Glitzer Shirt trägt, das lenkt mich ab (lacht)! Wenn ich überall Muster und Strukturen sehe, da bin ich direkt inspiriert. Das muss nicht sein. Für mich ist es – so wie für die Kinder auch – wichtig, in totaler Ruhe anzufangen.
Abgesehen vom Seelischen, darf man auch nicht vergessen, dass die Kleinen auch körperlich schwer bepackt sind.
tanzmuster: Gelingt das immer?
Laura: Es gibt natürlich Momente, da merkt man „Ui, das klappt jetzt echt garnicht“. Man muss wirklich auch ein Gefühl dafür haben, was passt und gegebenenfalls auch mal improvisieren, bzw. umschwenken… Das meine ich auch, wie vorher gesagt, mit „sehr gut vorbereitet sein“. Ich gucke am Anfang der Stunde: wie geht’s den Kindern? Was brauchen die gerade? Was brauch ich auch gerade? Vielleicht erstmal kurz schnelle Musik, erstmal einfach lostanzen? Das ist eine einfühlsame, schöne Arbeit. In der Schule ist es so gut für die Kinder, mal loszulassen und sich auf was ganz anderes zu konzentrieren. Ich freu mich zu sehen, wie ich jedes Kind einbeziehen kann und es das, was in ihm vorgeht, in Kreatives umwandeln kann. Abgesehen vom Seelischen, darf man auch nicht vergessen, dass die Kleinen auch körperlich schwer bepackt sind. Die kommen mit dicken, schweren Taschen an. Manchmal haben sie auch nicht die richtigen Anziehsachen dabei.
Das Gefühl, in einer Jeans mit Knöpfen oder aber in einer Leggings zu tanzen ist ein riesiger Unterschied! Sie dieses Gefühl für den Körper, das Wohlergehen des Körpers entwickeln zu lassen ist ebenso Teil der Arbeit. Wenn ich mich auf dem Bauch drehe, ist es sehr unangenehm, die falsche Klamotte zu tragen. Das ist alles ein Prozess…und so wichtig, das als Kind selber kennen zu lernen. Ich bespreche das auch mit den Kindern direkt am Beginn eines Jahres; ausgehend von der Frage „Was ist das Instrument der Tänzer:in?“… Wie ein:e Musiker:in hegen und pflegen wir auch unser Instrument, unseren Körper. Wir gehen liebevoll mit uns um.

Viele der Kinder in meinen Klassen müssen sehr früh erwachsen werden und selbstständig sein.
Viele der Kinder in meinen Klassen müssen sehr früh erwachsen werden und selbstständig sein. Im Unterricht bekommen sie von mir das Gefühl, wichtig zu sein und gesehen zu werden. Das finden die kleinen Tänzeri:nnen toll.
tanzmuster: Es klingt so, als schaffst du es, die Kinder mit deiner Liebe zum Tanz anzustecken?
Laura: Erst einmal sehe ich es bei all dem Spaß auch als ganz normales Fach an. Es muss auch mal was ausgehalten werden…und die Erfolgserlebnisse kommen teilweise erst später. Teilweise beginnt es auch dann erst, wirklich Freude zu machen. Auch die Erfahrung „Das war nicht Meins – aber ich konnte trotzdem was mitnehmen“ ist legitim und trotzdem absolut förderlich. Das können Kinder schon! Wenn sie Feedback geben oder sich nach der Stunde über den Unterricht unterhalten, merke ich das immer wieder. Wie auch in jedem Fach, muss die Leidenschaft der lehrenden Person rüberkommen.
Meine Tochter zum Beispiel kam einmal von der Schule, sie hatte eine neue Mathelehrerin, die hat ihr total gefallen. Sie kam nach Hause und rief: „Mama ich verstehe nix in Mathe, aber es macht sooo Spaß! Der Lehrerin ist wild wie ein Professor, wenn sie die Tafel vollschreibt und erklärt!“. Das bin ich auch irgendwie… Authentitizität und Leidenschaft!
…ich war eigentlich nie der Typ, der gerne vor Menschen stand bzw. redet…
tanzmuster: Warum hast du damals selber eine Tanzkarriere eingeschlagen?
Laura: Ich hab mich garnicht dafür entschieden, es war immer da. Das Gefühl habe ich, wenn ich zurückdenke. Meine Mama hat mich zum Ballett gebracht fand aber das alles zu rosa ist; deshalb musste ich ein knallrotes Balletttrikot tragen. Dann war ich einfach drin und bin da nicht mehr raus gekommen…
Dass ich unterrichte kam ganz organisch… ich war eigentlich nie der Typ, der gerne vor Menschen stand bzw. redet…aber irgendwann mal im Unterricht haben wir ein Liedchen auf dem Glockenspiel gespielt.
Ganz impulsiv hab ich meine Musiklehrerin zur Seite genommen und gesagt: „Ich hab mir zu dem Lied zu Hause einen Tanz ausgedacht!“. Ich habe dann eine Freundin mit rausgenommen und ihr den Tanz beigebracht – die Lehrerin war eigentlich total genervt, hat aber ja gesagt – und dann haben wir das vorgeführt. So hab ich gemerkt, im Nachhinein, dass ich es doch immer schon in mir hatte. Damals war ich total stolz auf mich, obwohl ich eigentlich nicht so war; eher zurückhaltend und still war. Reden vor versammelter Mannschaft viel mir auch schwer. Dass ich mich bei der Musiklehrerin durchgesetzt habe, war aussergewöhnlich für mich.
Die Lehrerin war überzeugt, dass ich begabt bin.
Was mich auch sehr inspiriert hat am Tanz war einfach immer die Musik! Meine Ballettlehrerin damals hatte noch einen Plattenspieler – wir haben in schön kleiner und gemütlicher Gruppe zu klassischer Musik Ballett nach Vaganova gelernt. Wie gesagt: Kinder lieben klassische Musik einfach! Meine Schüler:innen heute – und ich damals auch.
Mein Vater ist früh gestorben und meine Mutter konnte sich den Ballettunterricht damals nicht mehr leisten. Deshalb durfte ich kostenlos weiter tanzen. Die Lehrerin war überzeugt, dass ich begabt bin. Von der Aufnahmeprüfung am musikalischen Gymnasium bis zur Aufnahmeprüfung an der Hochschule für Tanz hin wurde es dann tatsächlich eine Karriere.
Tanz ist nicht mein Hobby, viel zu anstrengend!
tanzmuster: Also vom Hobby zum Beruf?

Laura:Tanz ist tatsächlich nicht mein Hobby und war es nie. Ich war ehrgeizig aber „im Rahmen“…weil es einfach auch anstrengend ist. Ich sag immer „Puh…Tanz ist nicht mein Hobby, viel zu anstrengend!“(lacht). Malen ist eins meiner Hobbies … Aber Tanzen, das bin ich einfach.
Der Tanz hat mir also Sicherheit gegeben, auch Struktur und Klarheit…
tanzmuster: Das ist interessant, dass du das sogar als Kind schon so empfunden hast…
Laura: Ich komme eher aus einer „Hippie“ Familie mit drei Geschwistern. Es war ein ständig turbulentes und trubeliges zu Hause, aber auch mit viel Liebe gefüllt; zum Glück. Als dann mein Vater so früh gestorben ist, war es eine Mischung aus Trubel und Traurigkeit. Meine Mama hat alles gegeben und war sehr viel mit ihrer Arbeit für unsere Versorgung beschäftigt.
Sie war oft erschöpft, damals war es ja sogar noch anders für Mütter, allein zu sei und wir waren drei Kinder… Der Tanz hat mir also Sicherheit gegeben, auch Struktur und Klarheit…eine klare Linie. Das fand ich toll!
tanzmuster: Du weiß also aus ganz eigener Erfahrung, wie wichtig Tanz für ein Kind sein kann!
Laura: Ja. Oft arbeite ich ja an Schulen in sozialen Randgebieten, wo ich generell sehr gut klarkomme. Da fühle ich einen Bogen zu meiner eigenen Kindheit…und vermittle den Kindern das Gefühl von Sicherheit, das durch Tanz entstehen kann. Genau das, was mir als Kind beim Tanzen so gut getan hat, will ich auch den Kindern heute bei mir im Unterricht weitergeben.